Oechsle Grad
Philipp Strebel Kommentare 0 Kommentare
Vom Oechsle zum Babo – und was der Zucker damit zu tun hat
Wenn Winzer über ihre Trauben sprechen, fällt oft ein mysteriöser Zahlenwert: „Die haben heute 85 °Oe!“
Doch was heißt das eigentlich — und wie hängt das mit den sogenannten Babo-Werten zusammen? In diesem Beitrag erkläre ich die Geschichte, die heutige Anwendung und liefere eine klare Vergleichstabelle, damit du die Werte sofort einordnen kannst.
1. Kurzer Blick in die Geschichte
Der Oechsle-Wert geht zurück auf Christian Ferdinand Oechsle (1774–1852), einen Goldschmied und Instrumentenbauer aus Pforzheim. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine Mostwaage, die den Zuckergehalt des Traubenmosts indirekt über dessen Dichte im Vergleich zu Wasser bestimmte. Die Idee war simpel: Zucker macht den Most schwerer — also kann man aus dem spezifischen Gewicht auf den Zuckergehalt schließen. Die Mostwaage war ein echter Gamechanger, weil Winzer damit schon vor der Gärung abschätzen konnten, wie viel Alkohol aus den Trauben herauszuholen ist und ob die Trauben reif genug sind.
2. Anwendung heute
Der Oechsle-Wert wird bis heute vor allem in Deutschland, der Schweiz, Luxemburg und in Teilen Südtirols genutzt. Typische Nutzungsbereiche sind:
Ernteplanung im Weinberg (Lesekontrolle), um den optimalen Lesezeitpunkt zu bestimmen.
Qualitätskontrolle im Keller vor und während der Gärung.
Klassifikation nach nationalen Gesetzen (z. B. deutsche Prädikatsstufen wie Kabinett, Spätlese, Auslese).
Gemessen wird entweder mit einer Spindel (Mostwaage) oder mit einem Refraktometer. Ein paar praktische Orientierungswerte:
~80 °Oe → eher leichter Most (Kabinett-Bereich).
~100 °Oe → kräftigerer Most, oft Spätlese-Bereich.

3. Der Babo-Wert — was ist das?
Die Babo-Skala (entwickelt aus der Balling-Skala) misst direkt den Zuckergehalt in Gewichtsprozent — also Gramm Zucker pro 100 g Most. Anders als Oechsle, das die Dichte misst und daraus schließt, gibt Babo einen direkteren Hinweis auf den Zuckeranteil. In der Praxis wird oft folgende Näherung verwendet:
°Babo≈°Oechsle4\text{°Babo} \approx \frac{\text{°Oechsle}}{4}°Babo≈4°Oechsle
Das ist eine brauchbare Faustregel für Alltag und Planung, auch wenn die genaue Umrechnung je nach Mostzusammensetzung leicht variiert.
4. Vergleichstabelle — Oechsle | Babo | Zucker g/l | Potenzieller Alkohol
Oechsle (°Oe) | Babo (°Babo) | Zucker (g/l) | Potenzieller Alkohol (% vol) |
---|---|---|---|
70 | 17,5 | 175 | 11,2 |
80 | 20,0 | 200 | 12,8 |
90 | 22,5 | 225 | 14,4 |
100 | 25,0 | 250 | 16,0 |
110 | 27,5 | 275 | 17,6 |
120 | 30,0 | 300 | 19,2 |
Erläuterungen zur Tabelle
Zucker g/l: Annäherung basierend auf °Babo × 10 → praktisch verwendete Faustregel (z. B. 20 °Babo ≈ 200 g Zucker/L).
Potenzieller Alkohol: Näherungswert, berechnet aus verfügbarem Zucker bei vollständiger Vergärung (vereinfachte Rechnung: circa 16 g Zucker pro Liter Most ergeben ~1 % vol Alkohol; hier umgerechnet mit gerundeten Faktoren). In der Praxis bleibt oft etwas Restsüße übrig, oder Hefeverhalten, Säure und Temperatur beeinflussen die tatsächliche alkoholische Ausbeute.
5. Kurz & knapp – Was Winzer daraus machen
Oechsle gibt schnell und zuverlässig Auskunft über die Dichte des Mosts — ideal zur Ernteentscheidung.
Babo ergänzt das Bild durch eine direkte Aussage zum Zuckeranteil.
Zusammengenommen helfen die Werte, den Stil des späteren Weins zu planen: leichter, frischer Kabinett oder vollere Spätlese/Auslese-Weine.